Eine Katzengeschichte von Eusebia Neuner

Von Lanzelot der zu einem Herrn Borchert mutierte:

Ich mochte Katzen eigentlich nicht, dass ich trotzdem unter Katzenbesitzer rangiere, liegt daran, dass seinerzeit – vor 5 Jahren – ein Kater vagabundierend durch die schwäbische Pampa zog und dabei in meinem Garten landete, in dem ich fluchend Unkraut zupfte.

Wie ich da so knie, fluche und mir überlege, dass es viel sinnvoller wäre, alle Pflanzen als Nichtunkräuter zu deklarieren, kommt dieser Vagabund in der Frontalen direkt auf mich zu und köpfelt mich, als wären wir die allerbesten Freunde, schon immer und ewig.

Ich muss zugeben, mir war die Schmuseattacke des fremden Vagabunden, nicht ganz geheuer, trotzdem nannte ich ihn spontan Lanzelot, weil er so stelzelig und hoch daher kam, wie ein Ritter, ohne Furcht und Tadel.
Was Lanzelot mitnichten störte, nach vollendeter Schmuseattacke, stakselte er von dannen, und vagabundierte in anderen Gärten herum, bis er anderntags wieder auf der Matte, respektive im Garten einer schwäbischen Exilantin stand.

Gleiches Spiel wie Tags zuvor. Schmuseattacke auf stelzeligen Beinen, der ich chancenlos entgegen sah.
So ging das jeden Tag und im Nachhinein, muss ich sagen, dass es geradezu liebenswert und großherzig von Lanzelot war, mir genügend Zeit zu geben, mich an ihn zu gewöhnen, bevor er mich zum wandelnden Dosen und Türöffner mutieren ließ.

Nachdem ich mich an die tägliche Schmuseattacke gewöhnt hatte und durchaus ab und an die Blicke schweifen ließ, ob Lanzelot nicht irgendwo ritterlich durch den Garten stakste, läutete Lanzelot die nächste Phase von: Wie erzieh ich mir ein Herrchen, ein. Er lag Morgens auf meiner Bänke.

Meiner Bänke, auf der ich in aller Stille und Ruhe, den ersten Kaffee, die erste Zigarette konsumiere.
Die Betonung liegt auf ,aller Stille und Ruhe, und keiner der mich kennt, tät sich freiwillig Morgens auf diese Bänke setzen und sich morgenmuffeligen Anfeindungen aussetzen. „Wehe du sagst ein Wort und wehe du willst was von mir, dann kannst du gleich einpacken und brauchst nicht wieder zu kommen…“ ich muss Lanzelot zutiefst beeindruckt haben, denn er blinzelte verschlafen mit dem linken Auge und fängt dann tief zu schnurren an.

Ich war entzückt und kullerte vollautomatisch, den schnurrenden Ritter, ohne zu ahnen das ich damit die nächste Stufe hin zum Dosenöffner erklommen hatte. Als sich sowohl die morgendliche Kullerei auf der Bänke, als auch die nachmittäglichen Schmuseattacken fest im Tagesablauf einer gestandenen Katzennichtliebhaberin etabliert hatten, folgte Phase 3. Völlig überraschend tauchte Lanzelot am Abend auf der Terrasse auf und strich mir schnurrend um die Beine. Clever wie ich manchmal bin, fiel mir sofort ein, dass Lanzelot vielleicht etwas zu futtern will – oh selig seid ihr, ihr geistig Armen, auf dem Weg zum Dosenöffner – ich also rein, in die Küche um Futterage für das Katerwesen zu suchen, als Lanzelot direkt von Phase 3 in Phase 4, die Inbesitznahme, übergeht.

Während ich eine Schüssel mit Futter fülle, hat sich Lanzelot vor der Terrassentür platziert und schaut sehnsuchtsvoll herein. Draußen vor der Tür, geht mir durch den Kopf und aus Lanzelot wird Herr Borchert, als ich die Tür hoch und weit für ihn mache, damit er eintreten kann.

Tscha, hätt mir mal einer sagen sollen, dass das einer voll umfassenden Kapitulation gleichkam. Herr Borchert hat alles sehr genau inspiziert und dann spontan beschlossen zu bleiben. Das liegt nun 5 Jahre zurück und zwischenzeitlich hab ich gelernt Dosen zu öffnen – auch Morgens ohne zu murren – in Minutentaktung Terrassen und Haustür zu öffnen und wieder zu schließen, ich hab gelernt, dass Herr Borchert Begleitung zur Futterschüssel wünscht und es rigoros ablehnt, selbige allein zu finden. Das hab ich nie verstanden, aber bevor ich mir einen Herrn Borchert anschauen muss, der anklagend vor mir sitzt, weil ich nicht in die Hufe komme, dann dackel ich mit ihm in die Küche.

Oh, und dabei ist es extrem wichtig, dass Herr Borchert mir immer einen Schritt voraus ist, falls ich nämlich zu ungestüm bin, und einfach vorneweg latsch, dann zwackt er mich doch glatt in die Waden.
Manchmal hab ich den Eindruck, je älter der Herr wird, desto exzentrischer wird er. Aber ich hab mir geschworen, wenn er mir mit Klamottenvorschriften kommt, dann setz ich ihn vor die Tür.
Soweit sind wir aber in Sachen Erziehung noch nicht, vielmehr hat es sich Herr Borchert in den Kopf gesetzt mir das Jagen beizubringen. Mir, die ich schon Mühe hab, das Unkraut zu fangen und Herr Borchert sollte das eigentlich wissen.


Was ihn nicht davon abhält mir tote Mäuse vor die Türe zu legen. Wenn ich dann komm, hockt er sich daneben, schaut mich an und es ist, als würde er sagen, so, nu mach mal. Ja bin ich denn bekloppt, denk ich mir und mach keinen Finger krumm, worauf mir Herr Borchert zeigt, wie das geht. Schmeißt, die Maus durch die Luft, lässt sie zwischen den Tatzen tanzen und schaut mich wieder erwartungsvoll an. Dosenöffner und Jägerin, dass geht eben nicht, denk ich mir, nehme die Maus trotzdem im Eimerchen mit, und lass sie unauffällig unter den Heckenbüschen verschwinden, sicher ist sicher.

Man könnte zu Recht vermuten, dass so viel Talentlosigkeit in Sachen Jagd, zur Kenntnis genommen und akzeptiert wird, aber nicht so bei Herrn Borchert. Das kommt ja gar nicht in die Tüte, dass der Dosenöffner nicht jagen kann, ganz bestimmt irgendwie so, rattern seine Hirnwindungen. Nicht anders ist zu erklären, weshalb er mir mit der Jagd, immer wieder auf die Pelle rückt. Heute zum Beispiel, liege ich in der morgendliche Sonne, die noch halbwegs erträglich ist, dös vor mich hin, mit einem guten Lied im Ohr, als ich etwas weiches, warmes, an meiner Seite spür.

„Na Herr Borchert“ sag ich, „auch mal wieder da“ und öffne dabei die Augen und seh, wie Herr Borchert knapp zwei Meter von mir entfernt sitzt und mich sehr interessiert beobachtet. Logische Gedankenfolge: Wenn Herr Borchert da drüben sitzt, was ist dann das Weiche, fellige an meiner Seite? Ich wusste gar nicht was ich alles für Tonlagen beherrsche und wie zackig ich auf den Beinen sein kann. Der Maus muss es ähnlich gegangen sein, sie düst nämlich wie der Blitz, ab durch die Mitte. Für einen Moment wartet Herr Borchert, ob der Dosenöffner endlich mit dem Gehopse und Gequieke aufhört und muss dann doch wieder alles selber machen. Zack, zack und schon hat er die Maus und schreitet wie ein tiefergelegter Jaguar auf mich zu ( das Hohe, stelzige hat sich mit meinen Fähigkeiten als Dosenöffner, in tiefer gelegt, gewandelt) und legt mir das braune Fellgewusel vor die Füße.

Die Maus und ich sind fertig mit den Nerven und ich stiefel mal wieder los und hole das Eimerchen um eine Maus zu retten, und meinen Ruf als schlechteste Jägerin aller Zeiten zu festigen. Herr Borchert gibt für heute seine Pläne auf, aus diesem Dosenöffner doch noch was anständiges zu machen und zieht von dannen, und ich frag mich ernsthaft, ob es ein Heim für Dosenöffner gibt und wenn nicht, ob ich eins eröffnen sollte, frei nach dem Motto: Dosen und Türöffner aller Länder vereinigt euch…..

Post Scriptum:
Für das Bild musste der große Earl herhalten, weil sämtlichen Bilder meines alten Laptops ins göttliche Nirvana abgewandert sind. Leider.

Veröffentlicht von Eusebia Neuner auf „X“